“ Trieste And The Meaning Of Nowhere” – JAN MORRIS

Jan Morris ist vor Kurzem gestorben.

Das ist die Erinnerung von Marta Herzbruch in der Triester Zeitung „Il Piccolo“.

Jan Morris, unermüdliche Reisende, hat Bücher über Venedig, Sydney, Hongkong, New York, Oxford sowie auch hunderte von Artikeln und Essays über alle Teile der Welt geschrieben. Sie bestieg den Everest mit der Expedition, die den Gipfel 1953 erreichte und konnte die Nachricht an die Times rechtzeitig zu bringen, damit sie an Königin Elisabeth am Tag ihrer Krönung übermittelt werden konnte.

Gestern, im Alter von 94 Jahren, trat er seine schwierigste Reise an, die Reise, von der es keine Rückkehr gibt.

Man könnte sagen, dass es sich für Triest um eine Stadttrauer handelt : Tatsächlichverdankt die Stadt Jan Morris für das nach wie vor prägnanteste literarische Porträt, das je über unsere Stadt geschrieben wurde: “ Trieste And The Meaning Of Nowhere „. Das Buch  wurde 2003 von Piero Budinich für den Verlag „Il Saggiatore“ übersetzt  und wurde nachher hundertfach nachgedruckt: Eshat  Tausende von Menschen nach Triest gebracht.

Jan stammt aus einer walisischen Familie und wurde 1926 als James Humphrey Morris in Somerset geboren. 1945 erreichte erTriest als charmanter neunzehnjähriger Offizier in den Reihen vom 9h Queen Royal Lancers . Der Einfluss auf die Stadt war so groß, dass er sie nie vergessen hat. Nachdem er der Armee in Palästina folgte, widmete sich dem Reisejournalismus und schrieb Dutzende von Büchern, darunter der Finalist des Booker-Preises 1985, „Last Letters from Hav“, dessen Schauplatz vage an Triest erinnert. Chorsänger in Oxford, walisischer Barde, militärischer Spionageabwehragent, James hatte am Lancing College in Sussex studiert. In London heiratete er seine Lebensgefährtin Elisabeth, die ihm fünf Kinder schenkte.

Doch seine Existenz war ungeklärt. James wurde von einem Rätsel oder „Conumdrum „, wie er es in seiner Autobiografie nannte, geplagt. Er hat seine Männlichkeit nicht akzeptiert. Er wusste, dass er tief im Inneren eine Frau war. 1972, als seine Kinder erwachsen waren, beschloss er, den großen Schritt zu wagen und nach Casablanca zu fliegen. So wurde er aus dem bekannten James zum Erstaunen der britischen Presse eine neue Schriftstellerin: Jan Morris, die Person, die in Triest den Spiegel ihrer Ängste gesehen hatte. Die Geschlechtsumwandlung führte zu einer Scheidung von Elizabeth, aber Jan heiratete sie 2008 wieder, sobald die eingetragene Lebenspartnerschaft in Großbritannien zugelassen wurden.

Nun hat Jan ihre lebenslange Lebensgefährtin verlassen aber Elisabeth weiß nichts von ihrem Weggang, weil sie sich im Nebel der senilen Demenz verliert. Ihr Leben war jedoch voll von Glück, Reisen und gemeinsamen Abenteuern. Seit 1945 ist Jan Morris jedes Mal und so lange sie konnte, nach Triest zurückgekehrt, wenn auch nur für ein paar Tage. Sie wohnte immer dort, im Hotel Savoia, einem magischen Ort für sie. Der Ort der Enthüllung ihrer wahren Identität.

Als sie anlässlich der Präsentation von “ Trieste And The Meaning Of Nowhere“  nach Triest kam, beschrieb sie dieses Buch als das wichtigste Werk ihres Lebens: „Es ist kein Reisebuch“, erklärte sie, „es ist kein Geschichtebuch, es ist keine Autobiographie. Ich denke, man kann es als Ego-Biographie definieren“.

Die Autorin geht durch die Geschichte der Stadt, ihre Konflikte und ihre glanzvollen Momente, ihr eigenes Leben, als wolle sie in der Stadt alle Widersprüche, Zweideutigkeiten, verlorenen Chancen oder die tiefste Wahrheit ihrer Existenz widerspiegeln. Bei dieser Gelegenheit erklärte Jan Morris dem Piccolo: „In gewissem Sinne bin ich immer „nirgendwo“, „geteilt“, „getrennt“. Die beste Analogie zu meinem Konzept von „Nowhere“ ist die Idee, mich als „eine Falte in einer Karte“ zu fühlen. Sie befinden sich nicht wirklich auf einer der beiden Seiten der Karte, sondern an der Grenze zwischen der einen und der anderen, verfärbt durch Gebrauch und Zeit. Sie sind eigentlich auf beiden doch getrennt. Ich liebe  sehr was Augè „no-place“ genannt hat aber aus ganz anderen Gründen als denen, die mich an den „Nowhere“ binden, der für mich Triest ist. Ideale Stadt für Exilanten, Outsiders, wandernde Juden, „Einzelgänger“, Einzelgänger aller Art, Aussteiger, Abtrünnige, für diejenigen, die sich wie ich „wie eine Falte auf der Landkarte“ fühlen“.

Jan Morris war die große Sängerin von der Pracht des Britischen Kaisertums, dem sie die Trilogie „The Pax Britannica“ widmete und von Triest, dessenK.u.K. Vergangenheit pries. Sie widmete Bücher auch dem Venezianischen Reich. Sie war von Kaisertümern bezaubert, die sie erreicht hatte aber sie war auch von deren Niedergang verführt, der mit dem langsamen, traurigen Übergang zu Mittelmäßigkeit und Normalität am Ende noch faszinierender erschien als die vorhergehende Pracht.

Sie definierte “ Trieste And The Meaning Of Nowhere“ “ als ein sehr privates Buch, das „zwischen den Zeilen“ so viel von der Erfahrung enthält, die in „Conumdrum“ erzählt wird. „Viele Menschen tragen den Namen von lieben Orten. – sagte Jan Morris in einem Interview und fügte hinzu – Ja, ich hätte nichts dagegen, wenn man mich Frau Triest nennen würde“.

Übersetzt von Nicoletta Bottiglioni

 

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